Meine Woche in der Familienherberge Lebensweg
Einblicke aus dem Pflegepraktikum
Ein Erfahrungsbericht von Giovanni Bruno
Als Geschäftsführer der fokus digital GmbH bin ich es gewohnt, in Zahlen und Strategien zu denken. Selbstverständlich achten wir bei unserer Arbeit aber auch immer darauf, die große menschliche Komponente der Pflegebranche nicht aus den Augen zu lassen. Zu diesem Zweck mache ich regelmäßig
Praktika in Pflegebetrieben.
Dieser Blick "hinter die Kulissen" ist für mich entscheidend, um die
Realität des Pflegeberufs wirklich zu greifen. Nachdem ich bereits Praktika in der Altenpflege gemacht hatte, zog es mich dieses Mal bewusst in eine ganz besondere Einrichtung: die
Familienherberge Lebensweg, ein Ort, an dem Familien mit schwerstbehinderten Kindern eine Auszeit finden können. Im Mai 2025 durfte ich für eine Woche in diesen Alltag eintauchen – und eine Erfahrung machen, die mich zutiefst berührt hat.
Ein herzlicher Empfang
in einer Welt voller Wärme
Mein erster Tag begann mit einem herzlichen Empfang durch meine Ansprechpartnerin Andrea Ebner. Sie führte mich durchs Haus: Wir starteten Im Erdgeschoss, wo sich der Pflegebereich, die Küche und der Speisesaal befinden. Weiter ging es im ersten Stock, wo nicht nur die Verwaltung sitzt, sondern sich auch die Familienzimmer und Spielräume ihren Platz haben. Im Dachgeschoss ist alles auf Entspannung ausgerichtet – von Klangtherapie bis Yoga. Im Untergeschoss des Hauses befindet sich neben multisensorischen Räumen auch ein Atelier für kreative Arbeiten mit Keramik und Holz. Jeder Raum war liebevoll gestaltet und strahlte Wärme aus.

Bild: Christian Metzler Photography
Giovanni, wie kam es überhaupt dazu, dass du als Geschäftsführer einer Digitalagentur in Berlin ein Praktikum bei uns in der Pflege gemacht hast?
Ich wollte schon lange wieder näher an die Menschen, für die ich mit meiner Agentur digitale Lösungen entwickle. Wir arbeiten viel mit Pflege- und Sozialunternehmen zusammen, beraten sie in Sachen Digitalisierung, Recruiting oder Kommunikation. Doch um wirklich zu verstehen, wie es den Menschen an der Basis geht, muss man selbst dort sein. Ich habe schon verschiedene Praktika in Altenpflegeeinrichtungen gemacht – dieses Mal wollte ich bewusst in die Arbeit mit Kindern mit Beeinträchtigungen eintauchen, um zu lernen, zu fühlen und die Realität besser greifen zu können.
Was war dein erster Eindruck, als du in den Pflegealltag der Familienherberge eingetaucht bist?
Ich wurde sofort herzlich empfangen. Meine Ansprechpartnerin, Andrea Ebner, hat mich am ersten Tag durchs Haus geführt und alle Mitarbeitenden haben mich direkt ins Team integriert. Mein erster Gedanke war: Hier herrscht eine unglaubliche Wärme. Keine Berührungsängste, keine Hektik – sondern echte Menschlichkeit und ein respektvoller Umgang miteinander. Das hat mich direkt tief berührt.
Besonders beeindruckt hat mich aber auch die Geschichte hinter der Familienherberge Lebensweg. Zu wissen, dass Karin Eckstein dieses Haus mit so viel Herzblut, Erfahrung und Vision aufgebaut hat – aus einer persönlichen Überzeugung heraus, Familien mit schwerstbehinderten Kindern echte Entlastung zu geben – hat mir großen Respekt abverlangt. Sie hat nicht nur ihre fachliche Kompetenz aus der Kinderkrankenpflege und Gesundheitspädagogik eingebracht, sondern vor allem ihr Herz und ihre Energie. Ohne Menschen wie sie, die selbstlos und mit unerschütterlichem Glauben an ihre Idee vorangehen, gäbe es solche Orte nicht.
Und auch Martin Mörmann, der mit seinem Engagement und seiner ruhigen, zugewandten Art tagtäglich so viel für die Familien und Mitarbeitenden gibt, hat mich beeindruckt. Beide zusammen stehen sinnbildlich für das, was die Familienherberge ist: ein Ort, der nicht aus Profitdenken entstanden ist, sondern aus purer Menschlichkeit, Ehrenamt und der Vision, etwas zu bewegen. Das verdient meine größte Wertschätzung und Bewunderung.
Auszug aus einem Interview der Familienherberge Lebensweg mit Giovanni Bruno
Mein Alltag in der Familienherberge: Kleine Aufgaben, große Bedeutung
Ich durfte die Pflegekräfte der Familienherberge Lebensweg bei vielen kleinen und großen Aufgaben unterstützen: Ob beim Aufräumen und Desinfizieren, der Vorbereitung und Durchführung von Mahlzeiten oder der Teilnahme am Morgenkreis mit gemeinsamem Singen und Begrüßungsritualen.
Ganz besonders waren für mich die Momente, in denen ich Kinder auf Spaziergängen begleitete oder Zeit mit ihnen im Spielzimmer oder im multisensorischen Raum verbrachte. Dabei konnte ich sehr viel beobachten und lernen: Völlig neu war für mich die Kommunikation mit Kindern, die nicht sprechen oder sich bewegen können. Es war eine Herausforderung, ihre Signale zu deuten – ein Augenzwinkern, ein Laut, eine kleine Geste. Doch es war auch unglaublich schön, wenn ich merkte, dass sie mich verstehen und mir auf ihre ganz eigene Art antworten. Auch viele Eltern begegneten mir sehr offen und sprachen mit mir über ihre Lebensrealität, Ängste, Hoffnungen und ihr Vertrauen in die Herberge.

Bild: Christian Metzler Photography
So geht Teamwork: Zusammenarbeit auf Augenhöhe
Was mich im Team sofort beeindruckte: Keine Berührungsängste, keine Hektik, sondern echte Menschlichkeit und ein respektvoller Umgang. Die Familienherberge setzt auf einen hohen Betreuungsschlüssel und Ruhe in der Arbeit. Die Offenheit und Herzlichkeit zeigte sich auch durch die flache Hierarchie, die mich sehr beeindruckt hat: Langjährige Fachkräfte, Pflegeschüler:innen und Ehrenamtliche arbeiten auf Augenhöhe zusammen. Auch ich als Praktikant wurde direkt als Teil des Teams behandelt. Vor allem die Schichtübergaben, an denen ich teilnehmen durfte, waren Gold wert: Hier wurden wichtige Informationen weitergegeben und die Professionalität des Teams deutlich.
Wie hast du den Kontakt zu den Familien und den Kindern erlebt?
Sehr offen und herzlich. Viele Eltern haben mich direkt mit einbezogen, mir von ihrem Alltag erzählt und mir gezeigt, wie selbstverständlich sie ihre Kinder lieben, egal mit welchen Einschränkungen. Diese Stärke und Ruhe der Eltern hat mich beeindruckt. Auch die Kinder haben mich bedingungslos so akzeptiert, wie ich bin – sie nehmen dich einfach als Mensch wahr, nicht als Funktion oder Position.
Was war körperlich oder emotional die größte Herausforderung während deines Praktikums?
Emotional war es am ersten Tag herausfordernd, zu sehen, wie schwer manche Kinder beeinträchtigt sind. Man fragt sich unweigerlich: Wie gehen Eltern damit um? Wie fühlt sich so ein Leben an? Doch sehr schnell habe ich verstanden, dass diese Kinder genauso lebensfroh sind wie alle anderen – sie drücken es nur anders aus. Körperlich war es für mich keine große Belastung, da die Mitarbeitenden keine Anstrengungen alleine durchführen mussten – es wurde stets im Team gearbeitet.
Wenn du die Familienherberge Lebensweg in einem Satz beschreiben müsstest – wie würde er lauten?
Ein Ort voller Wärme, Menschlichkeit und Respekt, an dem jedes Leben zählt.
Auszug aus einem Interview der Familienherberge Lebensweg mit Giovanni Bruno

Bilder: Christian Metzler Photography
Meine Eindrücke: Viel Dankbarkeit und Liebe
Ich ging mit der Erwartung ins Praktikum, Kinder mit schwersten Beeinträchtigungen zu treffen, die dauerhaft gepflegt werden müssen. Doch ich erlebte etwas Unerwartetes: Kinder voller Lebensfreude, die trotz aller Einschränkungen lachten, Signale sendeten und tiefe Beziehungen aufbauten. Die Eltern waren sehr liebevoll, geduldig und offen im Umgang mit ihren Kindern –entspannter, als ich mir das vorgestellt hatte. Die Liebe der Eltern für ihre Kinder war sehr bewegend. Als werdender Vater war es für mich sehr erdend und augenöffnend zu sehen, dass auch Kinder mit schwersten Behinderungen so viel Freude empfinden und schenken können.

Bilder: Christian Metzler Photography
„Ich habe gelernt, dass jedes Leben wertvoll ist – egal, mit welchen Einschränkungen es verbunden ist. Und dass Pflege nicht nur Arbeit ist, sondern Beziehung, Liebe und Menschlichkeit.“
Giovanni Bruno,
Geschäftsführer fokus digital GmbH
Momente, die bleiben: Wenn Blicke mehr sagen als tausend Worte
Ein besonders bewegender Moment war für mich ein Spaziergang mit einem Kind im Rollstuhl. Obwohl es nicht sprechen oder sich selbst bewegen konnte, zeigte es mit kleinen Blicken und einem sanften Blinzeln, wie sehr es die Zeit draußen genoss – den Wind auf der Haut, die Geräusche der Vögel. In diesem Augenblick wurde mir bewusst, wie wenig es manchmal braucht, um jemanden glücklich zu machen, und wie wertvoll jeder Augenblick sein kann.
Ein anderes Kind konnte nur über Augenzwinkern kommunizieren. Es reagierte auf meine Ansprache mit wiederholtem Blinzeln und schenkte mir damit spürbar Nähe. Erlebnisse wie diese, aber auch der Morgenkreis, bei dem die Kinder ihre Lieblingslieder aussuchen und mit strahlenden Augen die Musik genießen durften, waren unvergesslich. Natürlich gab es auch Erlebnisse mit Eltern, die ich für immer mit mir tragen werde. Da kommt mir etwa ein Gespräch mit einer Mutter in den Sinn, die trotz der schweren Behinderung ihres Kindes große Dankbarkeit und pure Lebensfreude ausstrahlte.

Bild: Christian Metzler Photography
Was ich mitnehme: Pflege bedeutet Menschlichkeit
Die Praktikumswoche hat meinen Blick auf den Pflegeberuf definitiv verändert. Ich habe einmal mehr verstanden, dass Pflege weit mehr ist als Waschen, Anziehen und Dokumentation. Pflege steht für Beziehung, Nähe, Zuhören, Verstehen. In der Familienherberge wird deutlich: Es geht darum, den Kindern und ihren Familien eine Auszeit zu schenken und das Leben für sie ein Stück leichter zu machen. Auch wenn ich zu Beginn nur wenig über die Krankheitsbilder, Aufgabenbereiche oder die Tagesstruktur wusste, habe ich mich schnell eingefunden und konnte viel lernen. Die hohe Professionalität und liebevolle Atmosphäre im Team haben bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Zurück in meinem Berufsalltag als Geschäftsführer nehme ich vor allem Demut und Dankbarkeit mit. Und das Bewusstsein, dass Digitalisierung in der Pflege wichtig ist – aber niemals die persönliche Begegnung ersetzen kann. Wir müssen digitale Tools so gestalten, dass sie Zeit für Menschlichkeit schaffen, nicht sie ersetzen.
Würde ich anderen empfehlen, einmal selbst ein Pflegepraktikum zu machen? Ja, absolut! Jeder sollte einmal erlebt haben, was echte Fürsorge im Pflegeberuf bedeutet – unabhängig davon, ob man später in der Pflege arbeitet oder nicht. Es erdet, es macht dankbar und es zeigt, was im Leben wirklich zählt.